Quelle: Liechtensteiner Vaterland / Gary Kaufmann

Liechtenstein führt San Marino vor

0:2-Sieg zum Nations League Auftakt: Das Kleinstaaten-Duell in Rimini entschied die Kolvidsson-Elf klar für sich.

Nach der «turbulentesten Vorbereitung» seiner Karriere (Stichwort: Covid-19) wurde Nationaltrainer Helgi Kolvidsson gestern Abend in Rimini für seine professionelle Haltung belohnt. Nach acht Niederlagen und zwei Remis in der abgeschlossenen EM-Qualifikation konnte er gegen San Marino nun seinen ersten Sieg an der Liechtensteiner Seitenlinie feiern. «Das geht jetzt in die Geschichte ein, doch daran habe ich gar nicht gedacht», grinste der Isländer nach Abpfiff. Für das Fürstentum ist der 0:2-Sieg gegen San Marino der 16. Erfolg in bislang 197 Länderspielen.

Bei der Aufstellung sorgte Kolvidsson für wenig Überraschungen, setzte auf seine bevorzugte 4-1-4-1-Formation. Italien-Legionär Marcel Büchel, welcher die sechs vorhergehenden Länderspiele verpasste, kehrte direkt zurück in die Startelf. Verletzungsbedingt musste Simon Kühne auf eine Anreise verzichten. Zwei weitere Spieler blieben aufgrund von positiven Testergebnissen zu Hause. Gegenüber dem offiziellen Aufgebot fehlten der eigentlich vorgesehene Captain Martin Büchel (Red Star ZH) und Jens Hofer (FC Biel-Bienne) vor Ort. Franco Varella, der Trainer von San Marino, schickte seine Elf in einem 4-3-3 auf den Kunstrasen des Stadio Romeo Niri. Eine andere Formation wie bei ihrer 1:0-Niederlage am Samstag gegen Gibraltar, wie Liechtenstein schon vor der Anreise nach Rimini vermutete.

Früher Hasler-Elfmeter sorgt für Chancen-Gala 
Besser hätte die Partie für Liechtenstein angesichts des frühen Treffers nicht laufen können. Beim ersten Eckball wurde Andreas Malin von Enrico Golinucci runtergerissen. Liechtenstein-Captain Nicolas Hasler schnappte sich den Ball und verwandelte den Elfmeter souverän ins linke untere Eck (3.). Umso mehr war die Stimmung bei San Marino angespannt, was sie umso aggressiver, jedoch nicht gefährlich machte. Ein Beispiel hierfür war Dante Carlos Rossis harte Grätsche an Hasler (13.). Ausserdem versuchten die Südländer auf unfaire Mittel wie Handspiele zurückzugreifen. Doch die Kolvidsson-Elf liess sich davon nicht einschüchtern. Statt sich auf Diskussionen einzulassen, legte Liechtenstein sofort nach: Marcel Büchel hatte das Auge, lupfte den Ball über den voreilig vorgepreschten Torhüter Elia Benedettini auf Dennis Salanovic, der seinem Kumpel Yanik Frick dessen zweites Länderspieltor direkt vor dem Kasten zum Einnicken servierte (14.).

Das Spiel bewegte sich in der ersten Halbzeit vor allem auf der Hälfte des Gastgebers, der sich trotz des Rückstands hinten verschanzte. Liechtenstein hätte seinen Vorsprung sogar weiter ausbauen könnte. Nicolas Hasler (21.) feuerte einen Schuss aus der Distanz knapp vorbei. Seinen anschliessenden Freistoss hätte Yanik Frick beinah erneut per Kopf verwandelt (28.). Dann hatte Marcel Büchel per Freistoss von der Mitte, direkt vor dem Strafraum, eine vielversprechende Gelegenheit (37.). Bei den Blau-Weissen verbuchte Enrico Golinucci die einzige echte Möglichkeit kurz vor dem Pausenpfiff durch einen Freistoss, den er etwas über den Kasten beförderte (43.).

Noah Frick muss verletzt vom Platz 
Franco Varella reagierte in der Pause, wechselte zum Seitenwechsel auf zwei Positionen. Nach einer Ecke war San Marino schneller zur Stelle, zog wiederholt ab. Der Schuss von Luca Ceccaroli landete allerdings sicher in Benjamin Büchels Händel, womit er sich erstmals auszeichnen konnte (49.). Es folgten mehrere brenzlige Angriffe von Matteo Vitaioli (71.) sowie José Hirsch (72.). Auf der anderen Seite hätte Dennis Salano - vic besser noch einmal aufgelegt, statt aus kurzem Winkel selbst den Abschluss zu suchen (50.). In dieser Phase machten die Südländer mehr für einen allfälligen Anschlusstreffer, während sich Liechtenstein auf dem Vorsprung ausruhte. Erste Warnmeldungen für eine Nachlässigkeit waren bereits gegen Ende der ersten Halbzeit zu beobachten. Yanik Frick zeichnete sich sowohl hinten in den Zweikämpfen aus als auch vorne mit einer scharfen Flanke rechts, bei der ihm ein Abnehmer fehlte (66.).

Sein Bruder, Noah Frick, war schon davor angeschlagen. Kolvidsson wollte ihn noch einigen Minuten drinnen lassen. Wohl die falsche Entscheidung: In der 77. Minute streikte das Knie endgültig, nachdem er es sich verdrehte. Er humpelte auf dem Weg zur Tribüne. Eine endgültige Diagnose konnte gestern Abend noch nicht gemacht werden. «Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes», meinte Kolvidsson. An der Stelle des Verletzten kam Noah Frommelt ins Spiel, der in die Zentrale rückte. Dies löste eine weitere Rotation bei Liechtenstein aus. Salanovic rückte in die Sturmspitze, Marcel Büchel übernahm den linken Flügel für ihn. Es folgte das Finale, in dem sich Liechtenstein vor allem noch darum bemühte, gegen einen Kontrahenten, der bis zum Schluss nicht aufgab, hinten als Kollektiv konsequent dicht zu halten. Diese Mission war auch erfolgreich, wobei vor allem Aron Sele die ganze Partie über als «Beisser» auffiel. Ausserdem schickte der Trieser nach vorne einige starke Pässe, setzte sich gegen seine Gegenspieler im Eins-zu-Eins durch.

Nationalspieler feiern Sieg in der Hotelbar 
Damit führt Liechtenstein zum Start der Nations League die zweite Gruppe der Liga D an. «Wir hatten ein klares Ziel vor Augen. Dieses haben wir erreicht. Gerade nach all den Schwierigkeiten, die wir in der Vorbereitung durchgemacht haben, kann man nur zufrieden mit diesem Ergebnis sein», freute sich der Nationaltrainer über den verdienten Sieg. Gerne hätte er sich gewünscht, dass seine Spieler nach der 0:2-Führung mehr aus den entstandenen Räumen gemacht hätten. Allerdings sei dies auf dem Kunstrasen, auf dem sich der Ball ganz anders verhält, keine so einfache Aufgabe gewesen, wobei er das nicht als Alibi gelten lässt. Den «Schlendrian» in der zweiten Halbzeit fasste er als unnötige Kleinigkeiten zusammen: «Solange wir kompakt in der Formation standen, gab es kein Durchkommen für San Marino. Aber es hat auch seine gute Seiten, dass wir noch etwas Luft nach oben haben.»

Nationaltorhüter Benjamin Büchel erlebte aus seiner Sicht ein eher ungewöhnliches Länderspiel. Er hatte das ganze Spiel wenig zu tun, war kaum gefordert. «Ich hoffe, dass es so weitergeht. Auch wenn es dann für mich schwierig ist, über 90 Minuten die Konzentration zu halten», berichtete der Vaduz-Spieler. Bezüglich dem Stellenwert der drei Punkte sagte er: «Dieser Sieg ist denke ich schon wichtig gewesen, weil Gibraltar vorher auch gegen San Marino gewonnen hat. So können wir den Gruppensieg vielleicht schon im Oktober gegen sie klarmachen. Jetzt haben wir einmal die Chance, etwas zu erreichen.»

Bleibt noch die Frage, wie die Liechtensteiner Nationalmannschaft den Sieg in Zeiten von Corona feiert, welche die Mannschaft nach zwei positiven Fällen doch ziemlich beschäftigt hat. «Jetzt bleiben wir halt im Hotel und trinken das Bier in dessen Bar», antwortet der Torhüter. Trainer Helgi Kolvidsson hatte nichts dagegen, vielmehr liess er sich diese Einladung nicht entgehen. Und das, obwohl Liechtenstein heute schon um 10 Uhr die Rückreise antritt.